Das Studentenleben hat viel Tolles zu bieten, aber eine Schwierigkeit geht leider meistens Hand in Hand mit dem Studium: das konsistente knapp-bei-Kasse-sein. Daher gilt für viele Studenten: je billiger, desto besser! Aber stimmt das immer so? Der erfolgreiche Horror Short Film „Take off your clothes” beweist das Gegenteil und regt auf kreative Art zum Nachdenken an.
Bei nur knapp 9 Minuten Länge erwartet man vielleicht nicht die größte Produktion. Beim ersten Mal Anschauen wird man viel zu abgelenkt von der Handlung und der sich aufbauenden Spannung sein. Aber auf den zweiten Blick kann man erkennen, dass in diesen Kurzfilm viel Arbeit hineingesteckt wurde!
Das beginnt schon bei der Animation des Titels vor Beginn des eigentlichen Films: der Schriftzug ist mit Nadel und Faden in einen schwarzen Hintergrund eingenäht – ein top Beispiel für die vielbenutzte Strategie der epischen Vorausdeutung, auch oft beim Englischen Namen Foreshadowing genannt.
Das Set selbst ist zwar ein recht winziger Raum, der jedoch so liebevoll detailliert gestaltet wurde, das genau die beabsichtigte Stimmung aufkommen kann. Wer genau hinschaut, findet stimmige Details. Die Musik und die Soundeffekte sind richtig passend gestaltet und sorgen für eine ordentlich spannende Atmosphäre mit richtig guten Erschreck-Momenten.
Der Film beginnt mit einer harmlosen, ja sogar gemütlich wirkenden Szene: zwei junge Frauen stehen in einem Zimmer, eine probiert gerade vor dem Spiegel ein Shirt an, auf dem Boden stehen Einkaufstüten – zwei Freundinnen, die gerade von einem Shoppingbummel zurückgekehrt sind.
Der Grusel geht los, nachdem sich die eine Freundin verabschiedet hat. Seltsame Dinge beginnen zu passieren: ein verstörender Fremder klingelt an der Tür und hängt unter dem Fenster ab, Kleidung entwickelt ein Eigenleben, immer wieder taucht das Element Feuer auf, und schließlich erscheint ein wahrhaftiger Geist: eine südostasiatische Frau mit Brandwunden im Gesicht, welche die Gesamtheit der Textilfabrikarbeiterinnen verkörpert, die unter unmenschlichen Bedingungen die billigen Klamotten von C&A, Primark und Co. herstellen. Sie bittet die Protagonistin, aufzuhören ihr wehzutun, und setzt den Haufen Klamotten in Brand.
Fast Fashion ist ein modernes Geschäftsmodell der Bekleidungsindustrie und heißt übersetzt so etwas wie „schnelle Mode“. Wahrscheinlich wurde die Bezeichnung von „Fast Food“ inspiriert, denn bei beidem geht es darum, dem Konsumenten so schnell und so billig wie möglich trendige Produkte zu liefern. Dabei wird sehr wenig auf die Qualität der Ware geachtet, und auch bei Herstellung, Transport und Verkauf wird an allen Ecken und Enden gespart, um das Produkt so billig wie möglich auf den Markt zu bringen.
Fast Fashion versorgt also die Welt mit billigen Klamotten von Wegwerf-Qualität. Kollektionen werden in Windeseile designt und produziert, um auch ja jedem neuen Trend sofort folgen zu können. Menschenrechte und Nachhaltigkeit sind keine Prioritäten, solange nur die konkurrenzfähigsten Discounterpreise möglich sind.
Aus all diesen Gründen erntet die Fast Fashion Industrie schon seit Jahrzehnten herbe Kritik. Wirtschaftlich, ökologisch und auch sozial sind die Folgen dieser rücksichtslosen Modeproduktion zum Teil verheerend – nur damit verwöhnte und anspruchsvolle Konsumenten aus dem Globalen Norden effektiv zum Kauf verleitet werden.
Die Käufer wissen meistens nicht, wie, wo und von wem ihre schicken Billigklamotten hergestellt werden. Ganz unten in der Produktionskette sieht es schlimm aus: in den ärmsten Ländern Südostasiens arbeiten in schmutzigen, schlecht belüfteten und oft sehr baufälligen Textilfabriken Näherinnen – meistens Frauen, manchmal sogar Kinder.
Die Schichten sind oft 12 Stunden lang, Pausen gibt es keine, die Arbeitsbedingungen sind miserabel und die Bezahlung entspricht wenigen Cents – aber die Leute haben keine Alternative, um an Geld zu kommen. Schon einige Male brannten solche Textilfabriken ab, wobei hunderte von Arbeiterinnen umkamen.
Die Botschaft des Films ist klar: „Take off your clothes“ aka. du sollst keine Billigklamotten kaufen und damit die moderne Sklaventreiberei der Modeindustrie unterstützen. Der Kapitalismus funktioniert leider so, dass der Konsument mit seinem Konsumverhalten „wählt“, was passieren wird.
Solange reiche Leute aus dem Westen Billigmode konsumieren wollen, ohne bereit zu sein, dafür etwas mehr auszugeben, wird es Nachfrage für solche Produkte geben. Und solange es Nachfrage gibt, werden die großen Modekonzerne nicht aufhören, Arbeiterinnen und Kinder in armen Ländern ohne Rücksicht oder Anstand auszubeuten.
Felix Charin, der Regisseur des Horror-Kurzfilms, nutzt die Kunst des Filmemachens, um wichtige Gedankenanstöße auf kreative Art in die Welt hinaus zu bringen. „Take off your clothes“ regt also zum Nachdenken an und schafft es, Unterhaltung mit effektiver Sozialkritik zu kombinieren und (hoffentlich) einen kleinen, aber wichtigen Unterschied in der Welt zu machen, in dem die Aufmerksamkeit von uns, den Käufern, auf diese Missstände gelenkt wird.
Und wer davon weiß, wird sich informieren, und wer informiert ist, wird hoffentlich zukünftig auf ethisch vertretbare Art und Weise mit seinem Konsumverhalten den Markt beeinflussen.